Sich dem Universum mit einem Tampon nähern.

Es gibt natürlich Vorteile so Einträge zu Beginn des Tages zu machen und nicht am Abend. Das hatte ich auch vor, aber dann … ihr kennt das ja.
Jedenfalls habe ich zu viele Gedanken in meinem Kopf und komme mit dem aussortieren gar nicht nach. 

Also Schritt für Schritt.
Das ist mein letzter Post, den ich frei zugänglich mache. 

Die zukünftigen sind nur mehr für patreon@s lesbar.
Dafür habe ich auf meiner Homepage einige alte Post hochgeladen, falls jemand mehr vom Rasseln in meinem Gehirn lesen möchte.
Diese Tagesblogeinträge werde ich von nun an hinter der Patreon-paywall einbetten. Ich verstehe total, wenn man sich da nicht registrieren will, schließlich sind wir alle schon auf zu vielen Plattformen und man kommt vor lauter Angebot ja gar nicht nach.
Dennoch hoffe ich, ein paar von euch folgen meiner Einladung und besuchen mich auf Patreon.
Mit diesem Format wünsche ich mir, nicht nur in meinen kreativen Prozess weiter einzutauchen, sondern auch zu lernen meine Werke wertzuschätzen und dazu gehört einerseits sie zu teilen, aber anderseits auch, sie nicht achtlos durch die Gegend zu schleudern.
Das Agieren auf Social Media fühlt sich immer mehr nach einem Betteln auf einer Einkaufsstraße am 23.12. an. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich habe diese Weihnachten auf einem Weihnachtsmarkt gearbeitet.

Gut möglich, dass man meine Kunst als mittelmäßig und irrelevant empfindet. Das kann jeder wie er will beurteilen. Was am Ende der Tage in meinem Dasein jedoch wichtig ist, was sie mir bedeutet. Selbst die schlechteste Imbissbude der Welt schenkt ihre Fritten nicht her. Den die Ware hat einen Wert, so wie das Fett, der Strom, die Miete und das stundenlange Stehen .
Ich habe vielleicht die langweiligsten Pommes des Globus, aber ich habe sie mit meinen Tränen, meinen Zweifeln, meiner Freude und allem bezahlt, was ich habe. Und das ist nicht mehr viel.
Deswegen will ich mich nicht mehr fühlen, als würde ich auf der Einkaufsmeile nach Cents betteln. Ich will mich in meine Frittenbude stellen und wenn jemand vorbeikommen will, dann empfinde ich das als große Ehre. Wenn man darauf keine Lust hat, verstehe ich das absolut. (Es gibt so viele Künstler, die ich toll finde, morgen habe ich den Namen schon vergessen. )
Wie ihr lest, möchte ich mit diesem Format auch immer tiefer und unverschleierter Einblick gewähren, denn die besten Würste werden da gebraten, wo die Komfortzone aufhört, sagte bereits Sokrates (das war ein Hund). 

An meiner bissigen Attitüde ist heute Amanda Palmer Schuld. 

Als ich heute Morgen eine Sprachnachricht einer meiner liebsten Freundinnen abgehört habe, sie teilte mir ihre Gedanken über diesen Blog mit, empfahl sie mir bzw. erinnerte mich an das Buch von Amanda.

Who´s got a tampon?

I just got my period, I will announce loudly to nobody in particular in a women´s bathroom … 

Today, it is my turn to take the tampon. 

Tomorrow, it shall be yours. 

There is a constant, karmic tampon circle.… 

are there women, who are just too embarrassed to ask? Women who would rather just roll upa a huge wad of toilet paper into their underwear … 

I am totally not afraid to ask. For anything. I am shameless.

Amanda Palmer

The art of asking

Den dritten Tag in Folge treibt der Wind den Regen nun durch die Straßen Flensburgs. Die Menschen schreiten gebuckelt zu ihren Verpflichtungen. 

Die Luft saust über das Wasser der Förde, Inseln von Wellenmustern über die Fläche pressend. Als ich kurz Lüften wollte, duschte mich der Windstoß wach. Nicht mal Stubenhocker bleiben heute trocken. 

Langsam merke ich auch, wie es auf das Gemüt schlägt. Ständig umwickelt von dieser visuellen Tristes. Das Wort gemütlich kann man bei Außenaktivitäten streichen. Ich bräuchte einen alten Taucheranzug (so einen mit Helm), um trocken Kaffee trinken zu gehen. Von wegen, es gibt keine schlechten Tage. Das ist schon der dritte in Folge.

Vielleicht haben wir zu Beginn des Winters einfach ein Pensum an Motivation, das wir ausschöpfen können. Dann kann man durchtauchen, mit vereinzelten Höhepunkten. 

Für manche ist es Weihnachten, für andere das Ende davon. Dazwischen kommen wieder paar Sonnentage, oder der erste schöne Schneetag und dann der zweite, der dritte, dann reicht es auch wieder. Es schmilzt. Wäähh. Kerzen und Bücher hat man jetzt auch genug gehabt. Vielleicht sind jetzt genug Wollsocke-Tage vergangen. Jedenfalls mein feelgood-haben neigt sich dem Ende zu.
Meine Überlegung heute war also ins Museum zu gehen. Genau! Dafür gibt es ja solche Tage. Museumsberg oder Schaffahrtmuseum? Einmal Alles! Ticket gilt für beide. Nein, schon zu spät dafür. Erstmal eins.

Als ich bereit war, haben Wind und Regen zugenommen. Die Aktion wurde abgeblasen. Morgen ist sicher auch so ein Tag.

Mir ist heute bewusst geworden, dass ich seit 2019 nicht mehr den deutschsprachigen Raum verlassen habe. Von ein paar kurzen Abstechern in die Nachbarländer (Kroatien, Italien, Ungarn, Tschechische Rep., Dänemark) abgesehen. Wie ist das passiert? Am verwunderlichsten ist nämlich, dass mir das gar nicht bewusst war. Wie bei so vielen Menschen, war sonst ein Teil meines Geistes immer damit beschäftigt, wo ich als Nächstes hinfahre. Warum ist das nicht mehr so? Corona? Alter? Meine Wiener Seele (woanders is a nur oasch)? Trägheit? Übersättigung? Alles?
Vielleicht kommt es ja wieder. Noch so paar norddeutsche Wintertage und dann Kübelkotzen in Malle.

Glück ist, loszulassen, was Sie nicht brauchen.

Mach, was Du willst 

Brauche ich das Reisen nicht mehr? Das kann ich mir nicht vorstellen, aber vielleicht bin ich einfach noch nicht bereit loszulassen.
Nun nutze ich diesen Punkt, um euch liebe LeserInnen loszulassen für heute. 

So möchte ich den Abschluss wieder mit einem Satz von Laotse einleiten:

Nähere dich dem Universum mit dem Tao, und das Böse wird keine Macht haben.

Als ich das heute las, erinnerte es mich an ein paar Zeilen, die ich letztes Jahr mal geschrieben und danach sofort wieder vergessen habe. Hiermit verabschiede ich mich für heute. 

Es begann mit dem Tampon und endet mit einem Tau.

An einem meiner letzten Arbeitstage auf dem Schiff bildete ich mir ein, Parallelen zwischen den Wogen des Lebens und der Schifffahrt zu erkennen. 

Es war einer dieser Tage, an denen das Leben so richtig nach Hafenwasser schmeckte. Nicht, weil ich meinen Job so hasste, was ich zwar tat. Nicht, weil ich mich einsam fühlte, was ich tat. Sondern weil es wieder einer dieser Tage war, an denen man kurz in die Nachrichten guckte und es sich anfühlte, als hätte dir jemand den Schädel eingeschlagen und auf deine Seele gekotzt. Die Welt stand in Flammen. Wiedermal.
Während ich am Achterdeck stand und den Sog spürte, der an Stärke gewann, kam mir die infantilste aller Fragen: „Wieso kann es nicht einfach mal laufen? Warum fließt es nicht? Habe ich etwas falsch gemacht?“
Das Kielwasser lachte schweigend über meine Menschlichkeit und formte weiter ein V in die See. Die verschiedenen Wellen stimmten sich aufeinander ein und vereinten sich. Vielleicht ist mein Leid nur der Schrei eines Tropfens, der nicht Teil der Welle werden will.
Manche Wellen formt eine Maschine, angetrieben durch ein Stoffgemisch, einst organischer Stoff, lebendige Wesen, …
Andere Wellen formt der Wind, oder an der Grenze zweier verschiedenen Schichten. Kalt und warm. Süß und salzig.
Die Welt ist alles, was der Fall ist und alles ist Wasser.
Auf unsere Erde von fernen Sternen gekommen, vollends in unsere Mitwelt gedrungen. In jeglichen Formen gereist. Um hier in seiner spirituellen Erhabenheit zu fließen, während ich mich an mein Sein klammere. Die Reling gibt mir Halt in diesen bewegten Stunden.
Wir haben schon viele Stürme erlebt.

Einst sagte eine Kapitänin zu mir, nachdem ich ihr aus Übereifer einen Latte Macchiato über die Uniform geschüttet hatte: „Selbst der erfahrenste Seebär am Steuer des besten Schiffes kann in Seenot geraten.“
Am Ende meines Vertrages fragte ich sie, was das Geheimnis ihrer Gelassenheit war. „Akzeptieren. Wir steuern so weit wir können. Was die Wettergötter uns entgegenwerfen. Wie die anderen Schiffe unsere Fahrt beeinflussen. Ob die Crew reif für den Moment ist. Wohin die Strömungen dich ziehen. Es gibt einen Punkt, an dem du loslässt und annimmst. Denn es liegt nicht mehr in deiner Macht. Für einen Bruchteil eines Momentes. Der sich wie ein Eintauchen in die Unendlichkeit anfühlt. Ein kurzes Berühren der Membranen des Seins. Die Schöpfung erkennt deine Demut und belohnt sie. Wirft dich zurück ans Steuer und dein wieder erlangter Glaube führt dich hinweg.“
Sie war sturzbesoffen an dem Abend und ich lachte mit meinen Kollegen noch über ihre Worte. 

Jetzt blicke ich auf die Segelschiffe, die in unserem Kielwasser tänzeln. Wie Marionetten an flüssigen Fäden.
Ich werfe meine restliche Zigarette ins Wasser. Das kann ich nicht akzeptieren.

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